Die junge Schauspielerin Maryna Klimova aus Kiew steht in Ost und West auf der Bühne. Zuhause im Osten gehört sie dem bekannten Left Bank Theater an und im Westen hat sie Engagements an renommierten Häusern. Sie fährt mit Zug und Bus, vier Tage dauert die Reise nach München oder Berlin, hin und zurück. In der Ukrai-ne spielt Maryna unterhaltsame Rollen, «damit die Menschen den Krieg kurz vergessen.» In Westeuropa spielt sie tragische Stücke, «damit die Menschen den Krieg nicht vergessen.» Maryna flüchtete mit ihrer Tochter nach Deutschland als 2022 der Krieg ausbrach. Die Münchner Kammer-spiele engagieren sie für ein Stück über ukrainische Flüchtlinge. Die Aufführung wird ein Erfolg.

Aber Marynas Tochter ist unglücklich in der Fremde, sie entwickelt schwere Essstörungen. Die beiden kehren zurück nach Kiew in die alte Wohnung. «Die beste Entscheidung meines Lebens», sagt Maryna. Bei Bombenalarm schlafen sie im Korridor. Im Spätsommert 2023 stirbt Marynas Bruder Sergiy in der Schlacht um Bachmut. «Ich bin stolz, die Schwester eines Helden zu sein», schreibt Maryna auf Facebook. Ihre Eltern sind gegen den Krieg mit Russland. «Warum kämpfen?», sagt ihr Vater. «Wir sind doch Brüder und Schwestern.» Beerdigt wird Sergiy in Odessa, Marynas Heimatstadt, aber Maryna kann nicht trauern, sie muss Theater spielen. Am Tag nach der Beerdigung: die nächste Premiere.